BGer 4A_314/2023

BGer 4A_314/2023 vom 01. Februar 2024

Werkvertrag; Preisminderung bei Mängeln; Tatsachenvermutung; Art. 368 Abs. 2 OR; 158, 183 ZPO

Preisminderung bei Mängeln (Art. 368 Abs. 2 OR) – Wiederholung der Grundsätze. Zur Berechnung der Preisminderung « im Verhältnis zum Minderwert» gilt die relative Methode, die in der Praxis auf die Schwierigkeit stösst, den objektiven Wert des vereinbarten Werks (ohne Mangel) und den objektiven Wert des tatsächlich gelieferten Werks (mit Mangel) festzulegen. Um diese Probleme zu vermeiden, hat die Rechtsprechung zunächst die Vermutung aufgestellt, dass der Wert des Werks, das hätte geliefert werden sollen, dem von den Parteien vereinbarten Preis entspricht. Darüber hinaus hat das BG eine zweite Vermutung in dem Sinne aufgestellt, dass der Minderwert vermutlich den Kosten für die Wiederherstellung des Werks entspricht. Die gemeinsame Anwendung dieser beiden Vermutungen führt zu einer Minderung des Preises, die den Kosten für die Beseitigung des Mangels entspricht. Es ist Sache derjenigen Partei, die behauptet, eine der beiden Vermutungen zu widerlegen, dies zu beweisen (E. 5).

 

Im vorliegenden Fall beschränkte sich der Bauherr auf eine Preisminderungsklage, so dass er auf eine Entschädigung für die Kosten der Nachbesserung verzichtete (E. 5.3.1). Im Rahmen einer vorsorglichen Beweisführung stellte ein Experte fest, dass sich die Kosten für die Reparatur des Bauwerks auf CHF 324'000.- beliefen. Dieser Betrag wurde vom Auftraggeber als dem Minderwert entsprechend angesehen. Da dieser Betrag den Preis des Bauwerks übersteigt und unbestritten ist, dass der Wert des Bauwerks nicht null ist, kann nach Ansicht des Bundesgerichts die zweite Vermutung nicht angewendet werden (E. 5.3.2). Im vorliegenden Fall hat der Bauherr den Betrag der Minderung jedoch nicht festgelegt, und es obliegt nicht dem Richter, diesen Betrag auf der Grundlage des Sachverständigenberichts zu extrapolieren oder den Sachverständigen zu diesem Thema zu befragen (E. 5.3.3).